Das Gartenzimmer
Wie würde ich reagieren, wenn mein Partner ein Haus, wie dem von Andreas Schäfer beschriebenen, unbedingt kaufen, darin leben und der Welt präsentieren will? Das beschreibt der Autor im „Das Gartenzimmer“. Mehr als 100 Jahre verfolgen wir die Geschichte eines Hauses, dem die Bewohner unfassbar viel Gefühl abringen wollen. Dabei vergessen sie alle, dass nicht das Haus, sondern sie selbst Liebe, Wut, Hass, Angst, Enttäuschung, Hoffnung, Sehnsucht, Verbitterung und Trauer hineinbringen und diesen ihren Lauf nehmen lassen. Das Haus ist einfach nur ein Haus. Aber was für eines.
Max Taubert, der von Kindesbeinen an
nicht anders kann als mit Holzklötzen auszuprobieren, wie das mit
dem Hausbauen geht und aus eher kleinen Verhältnissen stammt, wird
tatsächlich Architekt. Zunächst als Angestellter, wird er dem
Ehepaar Rosen vorgestellt, die sich ein Heim wünschen. Das Gelände
äußerst schwierig, da steil an einem Hang gelegen, möchte vor
allem Elsa Rosen eine Umgebung, um zu trauern. Ihr Sohn ist bei einem
Unglück ums Leben gekommen und danach auch noch von Uniformträgern
misshandelt worden, als er längst tot ist. Das zu verzeihen kann sie
nicht.
Taubert und Rosen bauen gemeinsam das
Haus, das sich so sehr von allem Üblichen unterscheidet. Die
Ehepaare erleben so einiges, vor allem der Erste Weltkrieg macht
Taubert schwer zu schaffen. Als er aus dem Krieg heimkommt, hat er es
nicht leicht, bei Frau und Kindern wieder richtig anzukommen und zu
arbeiten. Seine Frau ist als Künstlerin und Lehrerin schon sehr
selbstständig. Und auch der zweite Weltkrieg meint es mit beiden
Paaren nicht sehr gut. Taubert geht ins Ausland, seine Frau hat ihn
verlassen und Elsa Rosen kann nur mit Mut und sehr viel Kraft das
Haus halten.
Doch die Geschichte beginnt eigentlich mit den Lebekuschs. Hannah und Frieder entdecken den echten Tauber, während sie auf der Suche nach einem Haus sind. Es diente lange Zeit der Stadt Berlin als Fotolabor und Lager. Doch nun wird Hannah das Haus, gelegen im Grunewald, restaurieren und der Welt als das einzige vor Ort präsentieren, das Taubert in Berlin zur damaligen Zeit gebaut hat. Im Originalzustand soll es wieder sein, und dabei hilft Hannah ein mysteriöser Freund. Der Sohn von Frieder und Hannah fühlt sich von Anfang an nicht wohl im Haus, ständig knarzt es irgendwo. So zieht er sich zurück, ein unglücklicher Mensch, der mit seinen Eltern wenig anfangen kann.
Am interessantesten ist natürlich das
Gartenzimmer, am tiefsten Punkt des Hauses in den Hang hinein gebaut.
Außer der Küche, einer Toilette und anderen Fluchten sowie dem
Essensaufzug befindet sich dort nicht sehr viel. Man kann es
allerdings vom Garten aus betreten und unabhängig vom Rest benutzen.
Doch irgendein Geheimnis gibt es dort. Nichts scheint so richtig zu
schließen. Es zieht an allen Ecken und Enden. Und am Ende bringt das
Haus keinem wirklich das, was er glaubt finden zu können. Zu hohe
Erwartungen werden hineingesetzt. Und wessen Schuld soll es sein?
Natürlich die Villa selbst und insbesondere das Gartenzimmer.
Unglaubliche Geschichten werden uns
serviert von den Familien, die mit der Villa Rosen zu tun haben.
Viele Brücken werden zwischen gestern und heute geschlagen. Doch der
Leserschaft wird zum Teil einiges abverlangt. Denn nicht jede Figur
wird auserzählt, nicht jede Begebenheit in epischer Breite
wiedergegeben. Vieles kann man sich denken, dabei gibt es Dinge, die
einem den Schweiß ausbrechen lassen. Angst wird fühlbar, Wut und
Hilflosigkeit weicht der Zuversicht, Trauer bleibt. Nicht umsonst
wird einer so großen Zeitspanne Raum gelassen.
Wer Kunst, Kultur, Architektur und der
jüngeren deutschen Geschichte mal ganz anders begegnen will, der ist
hier gut aufgehoben. Ein gefälliger Schreibstil, die Sprünge
zwischen den Zeiten gut genutzt, das ist „Das Gartenzimmer“ von
Andreas Schäfer.
Mehr über das Buch samt Leseprobe findet sich unter https://www.dumont-buchverlag.de/buch/schaefer-das-gartenzimmer-9783832170264/